Der heutige Tag sei ein "im wahrsten Sinne des Wortes historischer Tag", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Mit dem "Haus der Geschichte" wolle man die Geschichte Niederösterreichs als Kernland Österreichs mit allen internationalen Beziehungen“ zeigen, betonte sie: "Eine moderne, zeitgenössische Präsentation braucht den internationalen Kontext." Mit dieser neuen Einrichtung komme man zudem dem steigenden Interesse an der Zeitgeschichte nach und würdige auch die Bedeutung großer Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher wie Bertha von Suttner, Leopold Figl, Julius Raab und Alois Mock, die "österreichische und europäische Geschichte geschrieben haben".
"Haus der Geschichte" als Ort der Auseinandersetzung
Das "Haus der Geschichte" sollte zudem "ein Ort der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte" sein, ein "emotionaler Anker in einer herausfordernden Zeit", hielt die Landeshauptfrau weiters fest. Diese Einrichtung habe viele Funktionen, betonte sie: "Es ist ein Ort der Vermittlung und Ausstellung, aber auch ein Ort der Forschung und eine wertvolle Einrichtung für uns als Land Niederösterreich, um unserer bildungspolitischen und demokratiepolitischen Verantwortung gerecht zu werden."
Mit einem "Dank an alle, die mit viel Engagement dieses Projekt umgesetzt haben", eröffnete der Gründungsdirektor Prof. Stefan Karner seine Festansprache. Das "Haus der Geschichte" sei für Österreich "ein Novum", sagte er: "Es ging nicht darum, einen kurzen Zeitraum darzustellen, sondern es ging um die Einbettung des Landes in den zentraleuropäischen Raum", sowie um "ein offenes Forum, auf dem Öffentlichkeit und Wissenschaft einander begegnen." Die Einrichtung und Errichtung des "Hauses der Geschichte" begründe sich aus vielen historischen Bezügen: "Vom einstigen Land um Wien hat Niederösterreich zu einer starken Landesidentität gefunden."
Ein Gespräch über die Geschichte und über uns
Das "Haus der Geschichte" sei "nichts Fertiges", so Karner: "Wir haben keine Lehre, aber wir führen in diesem Haus ein Gespräch: ein Gespräch über Geschichte und letztendlich auch über uns."
Entwicklung des Wir-Gefühls
Der Historiker und Schriftsteller Philipp Blom hielt im Zuge des Eröffnungsfestaktes ein Impulsreferat. "Geschichte hat weniger mit einer Bibliothek zu tun als mit einer Werkstatt. In dieser Werkstatt muss man zwei Sachen unterscheiden: Die Fakten – oder die Vergangenheit – und die Geschichte selbst." Geschichte sei "eine Art Chronik der Entwicklung eines Wir-Gefühls", meinte er: "Ein Wir-Gefühl, das immer wieder neu definiert werden muss und nie abgeschlossen ist."
Weiters kamen im Zuge des Festaktes Danielle Spera, die Präsidentin von ICOM Österreich, und der Kulturhistoriker Prof. Manfred Wagner zu Wort. Im Gespräch mit Moderatorin Barbara Stöckl meinte die Direktorin des Jüdischen Museums in Wien, Danielle Spera: "Heute ist ein Festtag für die ,Museumscommunity‘ und für das ganze Land." Wagner hob den Pluralismus und die Multidisziplinarität sowie die „Offenheit des Gesprächs“ im 92-köpfigen wissenschaftlichen Fachbeirat hervor.
Künstlerische Gestaltung durch das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Künstlerisch gestaltet wurde der Festakt durch das von Alfred Eschwé dirigierte Tonkünstler-Orchester Niederösterreich und den Komponisten Otto Lechner. Zur Eröffnung waren neben Landeshauptmann a. D. Erwin Pröll u. a. auch die Mitglieder der Bundesregierung Wolfgang Brandstetter, Wolfgang Sobotka und Hans-Jörg Schelling sowie zahlreiche Vertreter der Kirche, der Wirtschaft und der Medien sowie zahlreiche Botschafter gekommen.
Schätze aus 700 Ausstellungshäsuern
Das "Haus der Geschichte" bietet auf rund 3.000 Quadratmetern über 2.000 Objekte von privaten lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Leihgebern. Darunter befinden sich die größten Schätze aus sechs Millionen Objekten der Landessammlungen Niederösterreich, aus 700 Ausstellungshäusern und historischen Ausstellungen in Niederösterreich und aus einer Sammelaktion, bei der für die Schwerpunktausstellung zur Ersten Republik um die 3.000 Objekte angeboten wurden. Zu den "Highlights" der Ausstellung zählen etwa der Dienstwagen von Leopold Figl, ein Faksimilie des Staatsvertrages, der Bonjour-Rock von Kaiser Franz Joseph I. oder ein zehn Meter hoher Wachturm aus der Zeit des Eisernen Vorhanges. Ein an der Decke befestigter Hängegleiter erzählt die Geschichte des Tschechen Jiri Rada, der damit 1988 nach Niederösterreich flüchtete.
Strukturierung in Form von Clustern
Strukturiert ist das "Haus der Geschichte" in Form von Clustern, bewusst thematisch und nicht chronologisch. Die vernetzte Betrachtung ermöglicht die Analyse von Entwicklungen, auch wenn diese nicht zeitgleich verlaufen. Jeder Rundgang kann so individuell nach eigenen Interessen gestaltet werden. Die Besucherinnen und Besucher können sich so einen raschen Überblick über die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte Niederösterreichs im zentraleuropäischen Kontext verschaffen, gleichzeitig aber auch einzelne Themen vertiefen.